„Die Juden kehren niemals zurück“ - von Rolf Uphoff
Deportation der jüdischen Bürger aus Aurich, Emden und Leer im Oktober 1941
Teil 1 - Emden
Am 11. Februar 1942 veröffentlichte die „Ostfriesische Tageszeitung“ einen vom Goebbelsschen Propagandaministerium autorisierten Artikel unter dem Titel „Die Juden kehren niemals zurück":
Dieser Artikel war die Antwort auf eine Veröffentlichung im englischen „Manchester Guardian“, die eine Rückkehr und Entschädigung aus Deutschland geflohener und enteigneter jüdischer Unternehmer im Fall des alliierten Sieges ankündigte. Der Text des Goebbels-Artikels kann so gelesen werden, dass das „jüdische System“ nicht wiederkehrt. Über das Schicksal der Menschen sagt er nichts aus. Die Brisanz erhielt der Artikel durch die Ergänzungen des Redakteurs der „Ostfriesischen Tageszeitung“. Er veröffentlichte Fotomaterial, das Szenen der Deportation der jüdischen Bürger aus Emden und Ostfriesland enthielt. Unter den beiden Bildern, die den Zug der Deportierten zum Emder Bahnhof West zeigt, schrieb der Redakteur:
„…und so musste auch der Tag der Abreise der Hebräer kommen, von der es keine Heimkehr gibt. Nach dem Siege des Reiches in diesem Kriege, den auch Alljuda heraufbeschworen hat, wird der Erdteil Europa endgültig von einer Plage befreit sein…“
Ostfriesische Tageszeitung vom 11. Februar 1942
Da dedarf es keiner allzu großen Phantasie, um sich das Schicksal der Deportierten vorzustellen. Die genauen Beweggründe, warum die „Ostfriesische Tageszeitung“ das kaum fünf Monate zurückliegende Ereignis neu erwähnte, lassen sich nicht ermitteln. Wahrscheinlich wollte der Redakteur unter Rückendeckung der örtlichen NS-Parteileitung die Pionierrolle Ostfrieslands bei der Vertreibung der Juden hervorheben. Dieser Artikel passt allerdings nicht zur offiziellen Politik der Verantwortlichen, die bestrebt war, die Spuren der Aktionen gegen die jüdische Minderheit zu vertuschen.
Israelitisches Waisenheim Emden, später Altenheim, Foto: Stadtarchiv Emden
Was geschah am 22. und am 23. Oktober 1941, vor 70 Jahren?
Um die Hintergründe der Deportation zu verstehen, muss man bis zu den Ereignissen der Reichspogromnacht am 09./10. November 1938 zurückgehen. Begleitet von Brandstiftungen der Synagogen, Zertrümmerung jüdischer Geschäfte und Misshandlungen der jüdischen Bürger sowie Einweisung der meisten männlichen Juden in KZ-Lager erfolgte die Zerschlagung der Israelitischen Gemeinden. Die NS-Machthaber forcierten die Einziehung jüdischen Vermögens und die „Arisierung“ der jüdischen Unternehmen. Zugleich sollte die Auswanderung der inkriminierten Minderheit erreicht werden. Die Zurückbleibenden standen unter Sonderrecht. Sie verloren ihre Wohnungen und mussten seit Anfang 1939 in Gebäude der ehemaligen Israelitischen Gemeinde ziehen. In Emden waren dies das Rabbinatsgebäude an der Webergildestraße, ein Gebäude des ehemaligen Kaufhauses Valk an der Straße Zwischen beiden Sielen, ein Gebäude an der Boltentorstraße und das jüdische Altenheim in der Claas-Tholen-Straße. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde die jüdische Minderheit als Reichsfeinde eingestuft. Im Frühjahr 1940 forderten die Landräte in Aurich und Norden sowie der Oberbürgermeister in Emden die Abschiebung der Juden aus Ostfriesland. Oberbürgermeister Carl Renken sprach sich für eine Abschiebung in das besetzte Polen (Generalgouvernement) aus. Mit ihren Eingaben an den Reichsführer SS und Chef der deutschen Polizei, Heinrich Himmler, hatten die Verwaltungschefs keinen Erfolg. Im Frühsommer 1940 kam es zur Ausweisung der in den „Juden- häusern“ lebenden Familien nach Frankfurt / Main, Berlin und anderen Städten mit großen jüdischen Gemeinden.In Emden blieben die Bewohner des jüdischen Altenheims zurück. Das waren ca. 120 Menschen, von denen bis zum Herbst 1941 fünf verstarben.
Innenansicht Israelitisches Altersheim
in Emden, Klaas-Tholen-Straße.
Foto: Stadtarchiv Emden
Das jüdische Altenheim in der Klaas-Tholen-Straße in Emden ist am rechten Bildrand zu erkennen.
Die Aufnahme stammt vom 27.09.1943. Das Gebäude wurde am 6.9.1944 zerstört. Foto: Archiv D. Janßen