Bericht - Julius Goldschmidt

 

Julius Goldschmidt wurde am 22.12.1870 als Sohn von Moses Goldschmidt (1835 -1877) und Fanny Heinberg in Markoldendorf  geboren. Markoldendorf liegt zwischen den Städten Einbeck und Dassel. Der Ort ist heute Teil der durch eine Gebietsreform vergrößerten Stadt Dassel im Landkreis Northeim in Südniedersachsen. Im Jahr 1933 hatte der Flecken Markoldendorf  985 Einwohnern. Die Geschwister von Julius Goldschmidt waren Siegmund (geboren am 14. Mai 1864),  Hermann (geboren am  5. Dezember 1865), Heinrich (geboren am 11. März 1867), Julie (geboren am 7. Dezember 1869), Louis (geboren am 5. Juni 1873) und Richard (geboren am 14. September 1875) – alle in Markoldendorf geboren. Hermann und Richard sind bereits im ersten Lebensjahr verstorben.

 

 

Markoldendorf, Blick in die Magnusstraße, rechts neben dem Fachwerkhaus befindet
sich heute das Gebäude der Sparkasse (Pfeil), wo sich vor dem Abriss das Wohnhaus
der Familie Goldschmidt befand, Foto: Postkarte aus den 70er Jahren.

 

Schon im Jahr 1932 hat die NSDAP für den Kreis Einbeck eine Liste der jüdischen Erwerbszweige angelegt, in welcher auch Julius Goldschmidt erwähnt wird:

Steinberg, Martin, Konfektion, Dassel

Gebr. Rotenberg, Konfektion, Dassel

Julius Rotenberg, Kaufmann, Dassel

Albert Goldschmidt, Schlachterei, Markoldendorf

Julius Goldtschmidt, Viehhändler, Markoldendorf

Adolf Fels, Schlachter, Markoldendorf

Walter Dannenberg, Konfektion, Markoldendorf

Willy Wallhausen, Schlachter, Markoldendorf

Isidor Sternberg, Kaufmann, Lüthorst

Ww. Wallhausen, Schlachterei, Lüthorst

Herm. Selbiger, Produktenhändler, Lüthorst

(Niedersächsisches Hauptstaatsarchiv Hannover: Hann. 310 I P Nr. 2)

 

Markoldendorf, Magnusstraße 162 (heute geänderte Hausnummer), in der Breite der
sechs Fenster im Erdgeschoss der Sparkasse Einbeck befand sich seinerzeit das
Wohnhaus der Familie Goldschmidt, Foto: Rüdiger Sprink.

 

Julius Goldschmidt war von 1901 bis 1906 als Schlachter in Markoldendorf tätig. Im Jahr 1932 wird er laut obiger Liste als Viehhändler geführt. Am 15. März 1937 ist er in Markoldendorf abgemeldet nach Northeim. Laut Meldekarte des Jüdischen Altenheims in Emden, Claas-Tholen-Str.19 (Stadtarchiv Emden), ist er am 27. November 1939 aus Hamburg zugezogen. Er war mit Goldine Bacharach verheiratet und hatte drei Kinder mit ihr: Alma (geboren am 18. August 1901), Ella (geboren am 17. Juni 1902) und Heinrich (geboren am 3. Juni 1906) – alle geboren in Markoldendorf.

Der Realschüler Reinhard Walzer fertigte im März 1964 bei seinem Fachlehrer Prilop eine Arbeit an mit dem Thema „Die Markoldendorfer Juden“, wobei er sich auf mündliche Aussagen von Zeitzeugen aus Markoldendorf bezieht:

 „Die Geburtsdaten der ersten Generation (von Juden) konnten leider nicht auf der Gemeindeverwaltung ermittelt werden. Das Personenstandsregister beginnt erst im Jahr 1874; die Geburtsdaten der ersten Markoldendorfer Juden fallen aber bereits in den davorliegenden Zeitraum. Die Juden wohnten ausschließlich in Markoldendorf; in der Bauernsiedlung Oldendorf ließen sie sich nicht nieder. Wahrscheinlich hatten sie in dem hauptsächlich von Handwerkern und Arbeitern bewohnten Markoldendorf bessere Möglichkeiten zur Ausübung ihrer Berufe. (…)

Julius Goldschmidt, ein großer und stabiler Mann, bewohnte mit seiner Frau Goldina, geborene Bacharach, das Haus in der Magnusstraße 162. Als Viehhändler arbeitete er mit seinem Bruder Hand in Hand. Julius belieferte Henry mit Schlachtvieh. Mit dem Pferdefuhrwerk fuhr Julius über die Dörfer in der Nähe Markoldendorfs und kaufte oder verkaufte Rindvieh und Schweine. Seine Tiere brachte im Hause nebenan unter, in welchem er auch das nötige Heu und Stroh lagerte. Von ihm wird gesagt, daß er ein hilfsbereiter und guter Mann gewesen sei. Wenn ihn jemand um einen Gefallen bat, dann half er sofort. Geld wollte er nie dafür haben, meistens bat er aber dann: „Ja, wenn ihr mal für mich am Schinken herunterschneiden wollt!“ Trotz seiner strengen religiösen Einstellung aß er für sein Leben gern Schweinefleisch und Weißwurst.

Grete, die erstgeborene Tochter, heiratete einen Zahnarzt und verzog nach Göttingen, wo sie eine Praxis aufmachten. Heute lebt sie mit ihrem Mann im Rheinland und vor ein paar Jahren besuchten sie ihre ehemaligen Nachbarn in Markoldendorf.

Ella kam mit ihrem Ehemann im Konzentrationslager um.

(Der Sohn) Heinrich lernte Zahntechniker und gründete im Hause seines Vaters eine kleine Praxis. Er war sehr beliebt und hatte großen Zulauf. Wenn sein Vater in Geldnot war, so unterstützte ihn Heinrich, wo er nur konnte. Darum war es für Julius ein besonders schwerer Schlag, als sein Sohn (1934) einem tragischen Unglücksfall zum Opfer fiel. Als Heinrich aus seinem Garten, der hinter dem Hause liegt, einen Apfel aß, stach ihn eine Wespe, die im Apfel gesessen hatte, in den Hals. Noch ehe ein Arzt geholt werden konnte, war Heinrich erstickt. Von diesem Zeitpunkt an war das Geschäft rückläufig. Im Jahr 1936 hatte Julius bei der Spar- und Darlehenskasse Markoldendorf so große Schulden, daß sein Haus- und Grundbesitz versteigert wurde. Der Treuhänder Anton Cech aus Hildesheim erwarb das Haus und verkaufte es später weiter an den Gärtner Wilhelm Heiß. Julius zog nach Northeim, kam aber noch öfter nach Markoldendorf, um seine alte Heimat wiederzusehen. (...)“

 
Die Tochter Ella war mit Paul Lewy (geboren am 1. November 1906 in Hamburg)  verheiratet. Sie wohnte mit Ehemann und Sohn Aaron (geboren am 3.9.1940, ermordet am 31.12.1944 in Auschwitz) in Hamburg in der Sedanstraße 23. Diese Information stammt aus der Hausmeldekartei vom 19. August 1939, welche in Hamburg geführt wurde. (Staatsarchiv Hamburg: 741-4, K2449).  Genaue Meldedaten konnten nicht ermittelt werden, weil das Hamburger Einwohnermelderegister und die Passkarteien im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden. Die Familie Lewy wurde am 15.07.1942 nach Theresienstadt und am 15.05.1944 von dort nach Auschwitz deportiert (Sielemann, Jürgen; Flamme, Paul: Hamburger Jüdische Opfer des Nationalsozialismus – Gedenkbuch, Staatsarchiv,  Hamburg 1995).

 

Die mit dem 2.1.1942 datierte Postkarte schrieb er an Paul Lewy, Sedanstr.23 in Hamburg 43 mit dem Absender: Julius Israel Goldschmidt, Litzmannstadt Getto, Gnesener Str.26 I, Zi.13

Der Inhalt der Postkarte lautet:

„Meine Lieben, ganz hatte ich vergessen, daß ich gesund bin und muss ich auch ja auch von einer Karte von Euch ersehen haben, inzwischen werdet Ihr wohl meine Post erhalten haben. Wenn es Euch möglich ist, schickt mir auch etwas Geld und Post, damit ich auf dem Laufenden bin. Nun bleibt gesund und herzlich geküsst, besonders den lieben Jungen. Euer Papa und Opa.“

 

Staatsarchiv Lodz, Mikrofilm: L 20933 I - 9777


 

Bei der Recherche nach Julius Goldschmidt war Herr Rüdiger  Sprink aus Dassel, Ortsteil Markoldendorf, sehr behilflich und hat den Beitrag von Reinhard Walzer vermittelt.

 

Die übrigen Informationen zu Julius Goldschmidt  wurden uns dankenswerterweise von Herrn Dr.Rüdiger Kröger zur Verfügung gestellt.